Der grosse Abend aller Guggenmusigen startet bei uns wie gewohnt mit dem obligaten Brushen. Souverän verwandelte das Brush-Team die Gesichter der Böhmleni in Baumrinde und hellgrünes Unkraut. Dieses Jahr fehlt mir etwas der zerstörerische Duft und die Klebrigkeit des Fixiersprays, den braucht es offenbar bei Hightech-Brush-Farbe nicht mehr. Man könnte diesen «Extrakick» eigentlich durch einen Underberg für jedermann/frau/unklare ersetzen?!
Einspielen vor dem Bohème Haus routiniert erledigt, die Plastiküberzüge sitzen. Auf zum relativ frühen Auftritt auf Bühne A, nein B, jedenfalls von vorne gesehen rechts. Diesmal konnte ich mir den Namen der Gugge vor uns tatsächlich merken: Chärnetormchüeler. Für so einen Scheissnamen spielten die recht gut. Der einsetzende Starkregen gab das Startzeichen, wir waren dran; der seltene Moment, an dem man wirklich gerne eine Maske auf hat. Für Insider: Immerhin war kein «langer Weg» möglich, wir standen ja still.
Ups, fast vergessen, ich bin zwar nicht ganz sicher, aber ich glaube, der Obernarr war auch anwesend. Wirft er sonst immer einen eher grossen Schatten über die ganze Stadt, konnte ich ihn an dieser Fasnacht kaum ausmachen. Ich hoffe, ihr hattet mehr Glück.
Hier trennen sich die Wege der Böhmleni traditionellerweise; zu Monsterkonzert und zu verschiedenen Apéros. Ein toller Jahrgang dieses Monsterkonzert, es war seeeehr schööön, ich konnte es bis an meinen Platz im Hammer-Pub sehr gut hören. Davon war ich schon immer ein ganz grosser Fan.
Danach einen Auftritt in der Altstadt (war da wirklich einer?) und dann der unumstrittene Höhepunkt der ganzen Fasnachtswelt. Der wahrscheinlich einzige Umzug (ausser in boshaft kommunistischen Diktaturen), an dem die Zuschauer/innen/unklare zwangsweise rekrutiert werden, und sich mit sehr gefährlichen Fackeln noch selbst beleuchten müssen. Die Gefährlichkeit dieser Brennstangen war auch an der Gestaltung der FUKO-Laterne abzulesen. Obwohl ich mich immer noch Frage, ob sich in dem Fass wirklich Löschwasser oder nicht doch Weisswein aus dem Café Ring befunden hat. Ich hätte hier gerne ein Foto eingefügt, aber die 0.1% Akku meines Handys waren mir irgendwie zu Schade. Was? Ihr seid mit meiner Einschätzung ganz und gar nicht einverstanden? Reklamationen bitte direkt in den Gruppen-Chat des FUKO-Rats.
Ein Auftritt vor (fast) leeren Rängen im Downstairs, neu unter tunesischer Flagge von Besem geführt, konnte unserer Spiellust keinen Abbruch tun. Aber doch die Möglichkeit, nochmals etwas gemeinsam Zeit zu verbringen und das ein oder andere Bierchen zu stemmen.
Nach kurzer Wartezeit im Freien vor dem Zelt waren wir pünktlich um Nulleinhundertdreissig dran. Komisch, irgendwie haben sich noch zwei Fremde in unseren Wald verirrt. Ich empfand diesen letzten musikalischen Höhepunkt als kurz und heftig. Die Form der Register liess wirklich keine Wünsche offen.
Eingestanden im Regen, Rückzug zum Bohème Haus, Einer Reihe ab Gryffe, gäng wie gäng. Gäng wie gäng? Dieses Jahr hörte ich bis zu drei verschiedene Rhythmen und mindestens einen Kanon in der Melodie. Was soll’s? Doch noch etwas gefunden, in dem wir uns verbessern können.
Ich freue mich auf eine feine Röschti, mit Speck, oder Wörschtli, oder beides. Aber irgendwie fühlte sich dieses Jahr niemand zuständig. Eine Lehre daraus kann durchaus sein, dass «Selbstverständliches» eben nicht selbstverständlich ist. Wenn das jeder von uns «selbst versteht», kann auch aus meiner persönlichen Enttäuschung etwas gelernt werden: Nichts ist selbstverständlich, es muss eben immer ein Aufwand betrieben werden, von Wenigen, zum Wohle Aller. Ich bin mir fast sicher, im 2021 wird das wieder klappen.
Ein Häufchen Böhmleni ging dann doch noch den langen Weg, in dem sie bereits um
6.00 Uhr vor dem Ring waren. Sie kamen allesamt zurück, um die ordentliche Öffnungszeit von 6.30 Uhr abzuwarten. Neulinge sind und bleiben eben Neulinge, bis sie nicht mehr Neulinge sind. Ein paar von uns schafften den Einlass später doch noch, und so wurde vom «Zopf-Thunfisch-Sandwich gross» bis zum obligaten Ring-Gipfeli, dazu verschiedene Kaffees, ausserordentlich bierfrei frühgestückt. Von dort ging auch der letzte nach Hause.
Da ich diesen Bericht erst nach dem (wohl notwendigen) Bundesrats Entscheid schreibe, erlaube ich mir noch folgende Anmerkungen. Die Welt war noch in Ordnung, als die Mexikaner Corona in Bierflaschen abfüllten. Durcheinander kam die Welt erst, als die Chinesen «Corona» aus armen Tieren in unordentlichen Schlachthöfen auf die Menschheit los liess. Wer hätte gedacht, dass etwas, das so weit weg ist, Auswirkungen bis in die kleine Schweiz, ja sogar bis ins noch kleinere Olten haben wird. Nebst vielen anderen Veranstaltungen muss auch der FUKO-Abend abgesagt werden. Es bleibt zu hoffen, dass unser Verzicht dem ein oder anderen dieses heimtückische Virus erspart. Und sonst können wir es als Solidarität mit den bereits Kranken verbuchen. «Wehklagen» ist heuer also durchaus angebracht. So ist dieser Dienstags-Bericht tatsächlich mal das Ende der musikalischen Bohème-Fasnacht 2020.
Ich hoffe aber, ich kann Euch mit folgendem Kurz-Poem trösten: Der Glitzer ist abgefallen, die Instrumente liegen ruhig, die Farbe wird matt. Aber die nächste Fasnacht findet ganz bestimmt statt!